Die lüge. entlastung oder stress?
Wir alle verwenden Notlügen, denn das erleichtert das zwischenmenschliche Zusammenleben. Warum sollte man einen Freund mit der direkten Wahrheit brüskieren, wenn er sie gar nicht hören will oder die Wahrheit zu schmerzhaft für ihn ist?
Die Lüge. Entlastung oder Stress?
“Wie findest du meine neue Jacke?”
“Sie steht dir echt gut.” (Wahrheit: Das Streifenmuster sieht einfach nur scheußlich aus.)
Das ist eine Lüge aus Höflichkeit, aus der keine dramatischen Konsequenzen resultieren. Notlügen entlasten Freundschaftsverhältnisse und alle sind weniger gestresst.
Lügen kann erlernt werden. Wer häufig lügt, bekommt Übung darin.
Betrachten wir mal die Frage: “Hast du 50 Euro zu viel eingesteckt?”
Den Lügner belastet manche Unehrlichkeit gar nicht, wenn er keine Schuldgefühle hat. Würde er von einem Kassierer bei der Bank 50 Euro zu viel Geld ausbezahlt bekommen, würde es ihn seelisch wenig stressen, wenn er den Irrtum nicht aufklärt. Wenn aber die eigene Oma ihrem Enkel statt einen 50 Euro Schein aus Versehen zwei 50 Euro Scheine zum Geburtstag zusteckt, würde sich der Enkel eher gestresst fühlen, wenn er beide Scheine einsteckt. Das Geld von einer Institution zu nehmen stresst weniger, als die eigene Oma zu übervorteilen, zu der man eine persönliche Beziehung hat.
Wie ist das beim Thema: Fremdgehen?
Es soll ja Dreiecksverhältnisse geben, die 40 Jahre lang nicht aufgeklärt werden. Das ist möglich. Ich erinnere mich an eine Patientin, bei der die Geliebte nach dem Fall der Mauer plötzlich an der Tür klingelte. Dumm gelaufen –.
Falls die/der Geliebte keine Bedrohung für die derzeitige Beziehung darstellt, ist die Geheimhaltung stressfreier als dem Partner die schonungslose Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Mit dem schlechten Gewissen muss jeder selber fertig werden. Dreiecksverhältnisse führen allerdings zum Dauerstress, mit allen gesundheitlichen Folgen. Diesen kann auch das Oxytocin, das im Körper durch die neue Liebesbeziehung ausgeschüttet wird, nicht ausreichend entgegenwirken.
Der richtige Stress beginnt dann, wenn wir uns nicht mehr an das erinnern, was wir gesagt haben und unser Lügengebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Der Lebenspartner kann eigentlich Gesichtsausdrücke (auch Micoexpressionen) in unter 30 Millisekunden verstehen. Lügner können deshalb ertappt werden, weil ihre Partner im Gegensatz zu Maschinen das Zusammenspiel von Haltung, Gesichtsausdruck und Tonlage intuitiv verstehen können. Der eigene Lebenspartner kann bei der Bewertung von wahr oder gelogen die eigenen Beziehungserfahrungen und bisher in der Beziehung Erlebtes, mit der neuen Situation abgleichen.
Wer sich unsicher ist, ob er belogen wird, kann auf einige Dinge achten. Beispielsweise gestikulieren Menschen tendenziell weniger, wenn sie Lügen, weil das Gehirn kognitive Arbeit leisten muss und bereits mit dem Denken beschäftigt ist. Auch kann die verbale Reaktion verändert sein. Sie erhalten als Antwort drei Mal ein “Nein” und dann kommt plötzlich als Antwort: “Auf gar keinen Fall!” Das sollte Sie stutzig machen.
Die Secret Service Agentin Evy Poumpouras, erklärt in einem YouTube Interview, wie man Lügen aufdecken kann. Dazu empfiehlt sie die TED-Methode: Tell – Explain – Describe. Dabei geht es darum das Lügengebäude ganz gemächlich in drei Schritten einzukreisen. Mit einem: “Das ist doch gelogen!” oder etwas besser formuliert: “Ich glaube, dass du nicht die Wahrheit sagst”, kommt natürlich keiner weit. Dem Lügner auf die Spur zu kommen erfordert etwas Geschicklichkeit.
Tell: Sage mir mal, wie hast du gestern eigentlich deinen Abend verbracht? (Allgemeine unschuldige Frage zum Einstieg).
Explain: Erkläre mir doch mal, warum du nicht ans Handy gegangen bist.
Describe: Beschreibe doch mal, weshalb der gestrige Abend so wichtig für dich war. (Es wird konkreter).
Beziehungsfragen werden meist gefühlsbetont geklärt. Angelogen zu werden bedroht normalerweise die Identität der belogenen Person. Sie fühlt sich hilflos und betrogen. Eine pragmatische und lösungsorientierte Vorgehenseise ist nur dann möglich, wenn die Gefühle in den Hintergrund treten, und eine rationale Entscheidung zum weiteren Verlauf herbeigeführt werden kann. Klärung bringt hier die Selbstrefektion: Wenn ich die Situation nicht liebe, muss ich lernen sie zu akzeptieren, oder mein Leben verändern.
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen